Seit Jahrzehnten sucht die chemische Industrie nach einer Möglichkeit, reichlich vorhandenes, aber hartnäckig stabiles Erdgas direkt in wertvolle Chemikalien umzuwandeln. Jetzt ist Forschern am Forschungszentrum für biologische Chemie und molekulare Materialien (CiQUS) der Universität Santiago de Compostela ein Durchbruch gelungen: ein Katalysator, der Methan und andere Erdgasbestandteile in komplexe Moleküle umwandelt, darunter einen Schlüsselbestandteil für die Hormontherapie. Dieser in Science Advances veröffentlichte Fortschritt stellt einen entscheidenden Schritt hin zu einer nachhaltigeren und kreislauforientierten Chemiewirtschaft dar.
Die Herausforderung, Methan zu bändigen
Erdgas, das hauptsächlich aus Methan, Ethan und Propan besteht, ist eine Energiequelle, aber seine extreme Stabilität hat seine Verwendung als Rohstoff für die chemische Produktion eingeschränkt. Herkömmliche Methoden basieren auf energieintensiven und umweltschädlichen Prozessen. Die Kernschwierigkeit besteht darin, diese Kohlenwasserstoffe ohne unerwünschte Nebenprodukte zu aktivieren.
Ein neuartiger photokatalytischer Ansatz
Das CiQUS-Team unter der Leitung von Martín Fañanás entwickelte ein photokatalytisches System, das Methan direkt in bioaktive Verbindungen umwandelt. Zum ersten Mal gelang es ihnen, Dimestrol, ein nichtsteroidales Östrogen, das in der Hormontherapie eingesetzt wird, direkt aus Methan zu synthetisieren. Dies zeigt das Potenzial, aus einem einfachen, kostengünstigen Rohstoff hochwertige Moleküle herzustellen.
Der Schlüssel: Ein maßgeschneiderter supramolekularer Katalysator
Der Durchbruch hängt von einer Reaktion namens Allylierung ab, die dem Gasmolekül einen chemischen „Griff“ verleiht und so weitere Modifikationen ermöglicht. Die größte Hürde waren unerwünschte Nebenprodukte der Chlorierung. Um dieses Problem zu lösen, entwickelte das Team einen Katalysator auf Basis eines durch Collidiniumkationen stabilisierten Tetrachlorferrat-Anions.
„Das Design des Katalysators moduliert die Reaktivität radikalischer Spezies und unterdrückt gleichzeitig unerwünschte Chlorierung“, erklärt Prof. Fañanás. Ein Netzwerk aus Wasserstoffbrücken um das Eisenatom sorgt für die Aufrechterhaltung der Reaktivität und schafft eine optimale Umgebung für die selektive Allylierung.
Nachhaltigkeit im Mittelpunkt
Die Methode zeichnet sich durch ihre Nachhaltigkeit aus. Es verwendet Eisen, ein billiges und reichlich vorhandenes Metall, anstelle der Edelmetalle, die normalerweise in der Katalyse verwendet werden. Die Reaktion läuft unter milden Bedingungen ab und wird mit LED-Licht betrieben, wodurch die Umweltbelastung und die Energiekosten reduziert werden.
Jenseits von Dimestrol: Erweiterung der Möglichkeiten
In einer ergänzenden Studie, die in Cell Reports Physical Science veröffentlicht wurde, demonstrierte dasselbe Team eine Methode zur direkten Kopplung von Erdgas mit Säurechloriden, wodurch in einem einzigen Schritt industriell relevante Ketone entstehen. Beide Studien positionieren CiQUS als führend im Bereich nachhaltiger chemischer Lösungen.
Implikationen für die Zukunft
Die Fähigkeit, Erdgas in vielseitige chemische Zwischenprodukte umzuwandeln, eröffnet der Industrie neue Möglichkeiten. Diese Technologie könnte petrochemische Quellen schrittweise durch nachhaltige Alternativen ersetzen. Diese Spitzenforschung wird durch das Exzellenzumfeld von CiQUS ermöglicht, das durch die CIGUS-Akkreditierung der galizischen Regierung anerkannt wird.
Dieser Durchbruch stellt einen bedeutenden Schritt in Richtung einer zirkulären chemischen Wirtschaft dar, in der reichlich vorhandene Rohstoffe nachhaltig genutzt werden. Durch die direkte Umwandlung von Erdgas in wertvolle Verbindungen hat das CiQUS-Team den Weg für eine umweltfreundlichere und ressourceneffizientere Zukunft der chemischen Industrie geebnet
